Deinerseits

Mensch und Musikerin Marla Glen: Laute und leise Töne

An einem eisigen Januartag 2010 schneit uns überraschender Besuch ins Haus: Vor der Tür steht ein befreundeter Fotograf aus Baden-Baden und mit ihm die Musikerin Marla Glen, nebst Pudeldame Buffy. Ihr erster Auftritt bei uns kommt einem Wintersturm gleich, der in Sekundenschnelle die Landschaft verwandelt. Auf einen Schlag ist unser Wohnzimmer erfüllt von lautem Gelächter und diesem typischen Marla-aus-Chicago-Slang: “Hey Man, do you have a Beer?”, eine Frage, die Enzo verneinen muss und auf Wein steht sie nicht so. Also Tee. Is ja auch kalt draußen. Und heiße Hühnersuppe, die grad auf dem Herd steht. Die drei sind auf der Durchreise, irgendwelche Promotermine irgendwo, und machen eine Stunde Station bei uns, ehe sie sich auf den Heimweg begeben. Kaum sind sie wieder weg, reiben wir uns ungläubig die Augen, ob dieser Erscheinung. Amüsant, raumfüllend, aber irgendwie anstrengend…. Einmal Taxi zum Bahnhof… Monate später bin ich in der kleinen Weltstadt an der Oos gerade als Taxifahrerin unterwegs, als mich ein Auftrag ereilt: Glen, Sophienstraße. Einmal zum Bahnhof. Bin noch völlig assoziationsfrei, bis sie neben mir sitzt. […]

Andererseits

Quizfrage: Was ist falsch an diesem Bild?

“Ja, es gibt keinen Weihnachtsmann. Zumindest nicht zu dieser Jahreszeit. Und wohl auch nicht im Rollstuhl. Aber diese kleine, handgearbeitete Figur hat eine besondere Bedeutung für mich. Ich habe sie 2010 von behinderten Kindern geschenkt bekommen, denen ich vorgelesen habe. Die Ironie der Geschichte: Wenige Monate später saß ich selbst im Rollstuhl. (Anm.: Zum Glück habe ich mich mittlerweile wieder aus dem Rollstuhl herausgearbeitet und brauche ihn nur noch für längere Strecken!) Deshalb ist dieser Weihnachtsmann etwas ganz Besonderes für mich. Eine Art Mahnmal, das Leben nicht für selbstverständlich zu nehmen, dankbar zu sein für das, was man hat. Aber wenn es sein muss, auch für sein Wohlergehen zu kämpfen. Und das ist die Geschichte, die ich damals erlebt habe. Für den Lese-Vormittag in einer Schule für körperlich und geistig behinderte Kinder hatte ich das Buch “Der gelbe Pulli” von Paul Maar ausgesucht. Die Geschichte von einem Mädchen, das die Farbe gelb nicht mag, aber ausgerechnet in dieser Farbe einen Pulli geschenkt bekommt. Maar erzählt augenzwinkernd, was das Kind alles unternimmt, um diesen Pullover loszuwerden. […]

Ansichtssache

Auf einem Planeten, der sich durchs Universum dreht…

Nachdem ich Ninas Portrait https://glueck-und-so.de/barrierefreiheit-beginnt-im-kopf/ auf meinem Blog veröffentlicht habe, entscheide ich mich für einen Sonntagsspaziergang und lande an einem meiner Lieblingsorte in Baden-Baden, dem Marktplatz unterhalb vom Neuen Schloss. Eben schlägt die Uhr der Stiftskirche halb Zwölf, das  “M10” https://www.marktplatz10.de/ ist schon geöffnet und ich entscheide mich für einen doppelten Espresso und einen perspektivenreichen Aussichtsplatz auf deren Terrasse. Handan bewirtet mich mit herzlicher Gastfreude und wir kommen ins Gespräch. Sie ist in Baden-Baden geboren, hat türkische Wurzeln und arbeitet in diesem “Badischen Café-Restaurant” der ganz besonderen Art. Hier wirken Menschen mit und ohne Behinderung Hand in Hand. Während die Gottesdienstbesucher nach und nach die Kirche verlassen, erzählt Handan: “Da ist eine ältere Dame, die ich unter der Woche immer allein sehe. Dann läuft sie langsam und schaut meistens auf den Boden. Aber sonntags, da seh’ ich sie immer in die Kirche geh’n.  Auch allein. Wenn sie herauskommt, schaut sie zufriedener aus…”. Das ist der Auftakt für unseren Austausch über die menschliche Sehnsucht “Teil einer Gemeinschaft” sein zu dürfen. Und die vielen Gemeinschaften, die derlei […]

Deinerseits

Barrierefreiheit beginnt im Kopf

Seit rund zwei Monaten darf ich eine junge Frau kennenlernen, die mir dankenswerterweise die Tür zu ihrer Welt geöffnet hat: Nina Dhom. Als wir uns das erste Mal begegnen ist ihre Behinderung offensichtlich, aber kein Hinderungsgrund uns näherzukommen. Sprechen geht leider nicht, Zeichen geben durchaus. Wir blinzeln uns zu. Sie lacht. Fährt mit dem Rolli voraus in ihr Zimmer. Gibt mir mit einem Kopfnicken die Richtung vor und ich folge. Sie steuert ihren CD-Player an und spielt mir ihre Lieblingsmusik vor: Songs von “De Anonyme Giddarischde”, einer Pfälzer Kultband. Die liebt sie am meisten und ich erlebe, wie sie sich in ihrem Rollstuhl hin- und herwiegt und an ihren Lippen kann ich lesen, dass sie die Texte auswendig kennt. Nina zeigt mir einen Film, gedreht bei einem Wochenende mit der Behindertenseelsorge Speyer 2015: “Come together – Die wichtigen Dinge im Leben” und ich bin beeindruckt von der starken Botschaft und diesem sonnigen, lebensbejahenden Wesen neben mir. Ich schau mich um. Entdecke Bücher, Kuscheltiere und ein Himmelbett umrahmt von einer riesigen Fototapete mit schwimmenden Delfinen. Sie […]

Ansichtssache

Löwenzähne mit gelber Mähne…

Sie strahlen mit der Sonne um die Wette und halten innere Einkehr bei Regen. Zusammengeklappt, wie kleine Schirme. Hab’ ich heute ganz genauso gemacht. Es regnete, was vom Himmel herunterkommen konnte. Keine Weitsicht. Höchstens Einsicht. Und Trägheit. Die mit dem ersten Sonnenblinzeln am Nachmittag erfreulicherweise nachlässt. Da wage ich mich hinaus in die Welt und entdecke – frischgeputzt – das bunte, leuchtende, lebendige, vielfältige Sein. Mit unbändiger Energie sprengt es jeden Rahmen und wuchert, wild und ungeordnet, mit seinen sattgelben Pfunden. Was für eine Ur-Kraft gerade in dieser Pflanze steckt. Die sich selbst durch Asphaltritzen ans Licht reckt, in ordentlichen Parks, dank ihrer Pusteblumensamenschirmchen, unkontrollierbar vermehrt und dabei die Welt so wundersam erhellt….  

Ansichtssache

Meerestiefen und himmlische Weiten…

  Meine blaue Blume. Aus dem Geburtstagsstrauß, den Mia für mich ausgesucht hat. Jetzt bleibt sie unvergänglich…. Ich liebe Blau. Weil es mich an die Tiefen der Meere erinnert. Und an die Weiten des Himmels. Weil ich mich hineinfallen lassen kann, drin baden kann, weil ich es trinken kann, dieses Blau. Weil es mich manchmal beflügelt und oft inspiriert. Weil ich, tief in meiner Seele, natürlich eine Romantikerin bin und den Dichter Novalis als Jugendliche still verehrte. Weil mein, ab und an hitziges, Gemüt die klärend-kühlende Wirkung zu schätzen weiß, und vielleicht auch, weil ich blaue Augen habe, die Farbe mich an meine königlich-bajuwarischen Wurzeln erinnert, ich mit meiner Großmutter im Sommer gern Blaubeeren sammeln ging und während meiner Schulzeit manchmal genüsslich blaugemacht hab’…  

Ansichtssache

Rund um die rosa Ranunkel…

  Letzten Sonntag bei Großmutterschwester Gigi: Mädelstreff mit viel Zeit zum Austausch und zum Schrankaufbauen, Kochen, Lachen, Singen, Blödsinnmachen. In unserer Tischmitte steht ein Blumenstrauß. Mit einer prächtigen, rosa Ranunkel. Ra-nun-kel. Was für ein klangvoller Name. Der Nachmittag ist sonnig und die rosa Ranunkel beschließt sich zu entfalten. So wie wir. Peu à peu, Blättchen für Blättchen gibt sie immer mehr von sich preis, öffnet ihr Herz und lässt tief blicken in die Geheimnisse ihres verborgenen Kerns. Für mich steht diese Wunderblume sinnbildlich für vertrautes Miteinandersein. Für das “Sich öffnen können” in liebevoller, warmer Umgebung. Und für die kostbare Schönheit des Augenblicks…    

Ansichtssache

Der Zahn der Zeit….

Himmel was für eine Freude, wenn die ersten Zähnchen durch sind. Bei unserer Tochter Marie, bei Enkeltochter Mia und, ja, auch bei mir. Mein Papa hat das in meinem Fall im Januar 1964 in einem Büchlein genau festgehalten. “Zwei Zähnchen unten im siebenten Monat…”. Fortan heißt es: Durchbeißen.  Nicht minder groß die Freude, wenn die ersten Wackelzähne sich ankündigen. Hat mein Papa auch aufgeschrieben. Meine Schultüte trage ich 1969 im Trachtenkostüm – stolz, mit breitem Grinsen und einer Riesenzahnlücke vorne, oben. Enkeltochter Mia gelingt in der ersten Klasse mitten im Unterricht der ganz große Wurf: Zwei Wackelzähne unten (wahrscheinlich die Sorte, die bei mir als erste aufgetaucht war) hat sie quasi wie das tapfere Schneiderlein auf einen Streich entwurzelt. Und ihr Lehrer hat die Produkte dieser Heldentat in zwei selbstgebastelte Tütchen gepackt, die sie stolz mit nachhause bringt. Mein Zahnarzt hat mich gestern von einem maroden Eckzahn befreit. War schon Eiter drunter letzte Woche. Nur für die, die’s wissen wollen. Ich war megatapfer und bat natürlich darum, den Zahn mitnehmen zu dürfen. Daheim hab ich […]

Ansichtssache

Weil Worte unser Denken lenken…

Wer von uns steht drauf? Warten kann ätzend sein. Weil es den flow unterbricht, sofern ich grade einen erlebe. Weil es von anderen, wichtigen Dingen abhält, sofern ich welche zu tun habe. Weil es in Schranken verweist. Weil es meine Geduld auf die Probe stellt. Weil es Raum zum Nachdenken schafft, der nicht nur in ärztlichen Wartezimmern auch schnell mal mit Grübeln gefüllt wird. Weil ich, wenn ich warte, auch immer erwarte und dann bisweilen enttäuscht werde. Warten auf’s Geld. Warten auf den Anruf eines geliebten Menschen. Warten auf den nächsten Morgen, die Sonne, den Frühling, das Licht, die Heilung, die Erlösung, die Liebe, das Glück, den Frieden … Warten. Ein unangenehmes Wort. Mit unangenehmen Folgen in meinem Denken. Deshalb ersetz’ ich das jetzt mal: In Liebe, in Frieden und in jedem Augenblick.

Meinerseits

Hinfallen, Aufstehen, Krone richten!

Zeit für eine Fallstudie. Schon am Freitag war mir klar, dass “Füße hochlegen” gerade angesagt ist. Hab’ mich auch kurz dran gehalten. Zu kurz wahrscheinlich. Denn am Montag, nach einem bewegten Wochenende, hab’ ich, unterwegs zu einem wichtigen Termin versteht sich, die Straße geküsst. Mitten in der Fußgängerzone. Publikumswirksam. Wahrscheinlich war ich wieder so mit Gucken beschäftigt. Und im Kopf ja auch schon längst ganz woanders. Um mich herum Menschen, die Schaufenster betrachten. Dazwischen sitzt ein Bettler mit einem Plastikbecher. Und plötzlich knicke ich mit dem linken Fuß um. Da war ne Platte kaputt. Nur notdürftig mit Teer gefüllt. Egal. Eigentlich nicht der Rede wert und schon gar kein Grund zum Fallen. Ich falle trotzdem. Während ich falle, bin ich bemüht meine Handtasche mit dem arbeitsnotwendigen Tablet in die Höhe zu halten und auf gar keinen Fall auf mein Handy zu stürzen. Weshalb ich mich im Fallen drehe, mir dabei zwar auch noch den Nacken verreisse, aber mein Handy schütze. Unglaublich. Eigentlich. Glücklicherweise gelingt es mir, mich in Zehntelsekundenschnelle wieder aufzurappeln. Der rechte Ellenbogen schmerzt. […]