An einem eisigen Januartag 2010 schneit uns überraschender Besuch ins Haus: Vor der Tür steht ein befreundeter Fotograf aus Baden-Baden und mit ihm die Musikerin Marla Glen, nebst Pudeldame Buffy. Ihr erster Auftritt bei uns kommt einem Wintersturm gleich, der in Sekundenschnelle die Landschaft verwandelt. Auf einen Schlag ist unser Wohnzimmer erfüllt von lautem Gelächter und diesem typischen Marla-aus-Chicago-Slang: “Hey Man, do you have a Beer?”, eine Frage, die Enzo verneinen muss und auf Wein steht sie nicht so. Also Tee. Is ja auch kalt draußen. Und heiße Hühnersuppe, die grad auf dem Herd steht. Die drei sind auf der Durchreise, irgendwelche Promotermine irgendwo, und machen eine Stunde Station bei uns, ehe sie sich auf den Heimweg begeben. Kaum sind sie wieder weg, reiben wir uns ungläubig die Augen, ob dieser Erscheinung. Amüsant, raumfüllend, aber irgendwie anstrengend….
Einmal Taxi zum Bahnhof…
Monate später bin ich in der kleinen Weltstadt an der Oos gerade als Taxifahrerin unterwegs, als mich ein Auftrag ereilt: Glen, Sophienstraße. Einmal zum Bahnhof. Bin noch völlig assoziationsfrei, bis sie neben mir sitzt. Mit Buffy. In den 18 Minuten Fahrzeit bis zum Ziel erscheint sie mir deutlich schlichter und herzlicher, als an jenem Tag bei uns daheim. Sie plaudert munter drauf los und, weil ich des Englischen relativ gut mächtig bin, wird sogar ein Gespräch draus. Ob ich sie morgen dann wieder abholen könne, will sie wissen. Wie’s der Himmel will, kann ich. Fortan beschließt Marla, ich sei perfekt dazu geeignet ihren Chauffeur zu geben. Sie ruft regelmäßig an, mittlerweile direkt auf meinem Handy, und ihr größter Traum ist es, dass ich einmal eine der von ihr, wegen des großen Auftritts, so geschätzten Stretch-Limousinen fahre. Wozu es zu meinem Glück nicht kommt. Dafür aber zu häufigen, gemeinsamen Essen. Wenn ich tagsüber mit dem Taxi unterwegs bin, bimmelt sie durch, will wissen, wie ich meinen Abend gestalte und wenn ich dann sage, eigentlich hab’ ich nur Hunger, dann schlägt sie vor zu kochen und lädt mich zum Essen ein. “Sweinebauch with rice and beans” hat sie mir am ersten Abend stolz präsentiert. Ihre Leibspeise wird mir immer unvergessen bleiben. Sie lässt mich Songs hören, die gerade entstehen, wir tauschen uns über Feinheiten aus. Und ich wage es, ihr erste Aufnahmen von jener Band vorzuspielen, mit der ich nach Jahren endlich wieder regelmäßig Musik mache.
Erhobenen Hauptes und durch!
Manchmal sitzen wir stundenlang am Tisch, zwischen uns die Reste von Guacamole und Tacos, und tauschen uns aus über Gott und die Welt. Entgegen der landläufigen Meinung, Marla Glen sei stets egozentrisch und rede pausenlos über sich selbst, erfahre ich sie in diesem Rahmen auch als aufmerksame Zuhörerin. Erzähle ihr von meinem Ringen um Respekt und Achtung in Beziehung und meinem beruflichen Sein, was mich in jenen Tagen vordergründig umtreibt. “Take it as a heroe!”, rät sie mir. Als Heldin, erhobenen Hauptes. Ein guter Tipp. Und wenn sie switcht und Parallelen zieht zu ihrem Erleben, dem Ringen um ihre Rechte, dem quälenden Kampf ums Geld, dem laufenden Insolvenzverfahren, dann schick ich diesen Ball zu ihr zurück. Wir teilen unsere Ängste miteinander. Und erleben dabei, wie Vertrauen wächst. Obwohl sie ansonsten mit allen und allem hadert und Misstrauen ihr beherrschendes Thema in diesen Tagen ist. Helfe ihr die Kisten auszupacken, die eines Tages in ihrer kleinen Wohnung stehen und die Reste ihrer Lebensgemeinschaft mit Sabrina dokumentieren. Ordne auf Mini-Job-Basis ihre Papierberge. Während Marla an der Musicbusiness-Front ums Überleben und um Wahrhaftigkeit kämpft. An ihrer Seite gewinne ich erste Einblicke ins Musik-Geschäft. Hin und wieder begleite ich sie zu kleineren Gigs in der Umgebung, verkaufe Tickets, T-Shirts und CDs am Eingang, lerne liebenswerte Marla-Fans kennen und gleichermaßen die ersten “Zombies” meines Lebens, die sich an ihre Fersen heften in der Hoffnung, mit ihr an der Seite, zügig ein gutes Geschäft machen zu können. Und das Gesicht, das sie manchmal trägt, wenn sie unterwegs ist “working for the music”. Exzentrisch, laut, sie trinkt viel und ich fühle mich unwohl. Bis ich schnalle, dass sie ein Spiel spielt. Wobei ich mir nie ganz sicher bin, ob sie weiß, wann es besser ist, damit aufzuhören.
Happy Mothers day!
Vor vier Jahren zieht Marla Glen von Baden-Baden nach Köln. Anfangs halten wir noch regelmäßig Kontakt, dann ist plötzlich Sendepause. Bis am 8. Mai 2016 morgens um 9 Uhr mein Handy klingelt: “Happy Mothers Day, sweetheart!” “Marla? Oh my goodness!” Wo sie ist, will ich wissen und wir finden heraus, dass ihr aktueller Wohnort keine zwei Stunden von uns entfernt liegt. Lade sie ein uns zu besuchen, sie packt ein paar Sachen, checkt die Zugverbindung und nachmittags um 16 Uhr hole ich sie vom Bahnhof in Landau ab. Drei Tage lang bleibt sie bei uns auf dem Berg und wir haben jede Menge Zeit für Austausch. Die Insolvenz liege endlich hinter ihr, erzählt sie, und ein neuer Anwalt sei auf einem guten Weg, die Rechte an ihrem Welthit “Believer” für sie zurückzugewinnen. Sie arbeite jetzt mit neuen Musikern und habe zwei Augen darauf, dass sie die geschäftlichen Strippen alle in ihren Händen behalte. Here I am , ihre aktuelle und definitiv hammergeniale Live-CD ist auf dem Markt, die Band ist eine starke Crew, sie touren viel und arbeiten bereits an der nächsten Veröffentlichung. Sie wirkt ruhiger, friedfertiger, gelassener und genießt die vertraute Atmosphäre. Als ich ihr von meinem Blog und den nahen Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen erzähle, befindet Marla, dass ich ja auch mal über sie schreiben könne. Daraufhin sitzen wir den ganzen Montag in der Frühsommersonne auf unserer Terrasse, sie erzählt, ich übersetze und schreibe.
“Gotteskinder bleiben immer Kinder”
“Was ist Glück für dich?” “Oh Glück?”, fragt sie sicherheitshalber nochmal nach, “Glück ist für mich, wenn die Arbeit getan ist und alle zufrieden sind.” Kurze Pause. “Du weißt, dass ich ein völlig normaler Mensch bin,” erzählt sie weiter. “Ich gehe gern früh zu Bett und bete jeden Abend. Mit Gott verbunden zu sein, ist für mich ein großer Segen. Wenn du willst, kannst du es auch Glück nennen.” Und dann ist da wieder dieser Schalk in ihren Augen und sie erinnert sich an lang vergangene Zeiten, daheim in Chicago, mit Mum und Dad, mit Bruder Tuggy und den verehrten Großeltern auf dem Land, in Michigan. So dankbar sei sie dafür und auch das sei Glück. “Ich bin ein geliebtes Kind,” plaudert sie unbefangen weiter. “Ich habe es geliebt Kind zu sein und ich liebe es nach wie vor Kind sein zu dürfen. Gotteskinder bleiben immer Kinder…” Den besten Beweis dafür bekommen wir übrigens tags drauf beim Geburtstagsfest unserer Tochter, als Enkelin Mia ihr vorschlägt zusammen “Mensch ärgere dich nicht” zu spielen und daraus über Stunden ein hochspannender und schweißtreibender Event wird. Zu Marlas allergrößtem Vergnügen.
Die Sache mit dem “kontrollierten” Vertrauen…
Sie sei “in Wahrheit und Menschlichkeit aufgewachsen”, erklärt sie und zur Selbstständigkeit erzogen. Das Unmenschliche in unserer Welt zeige sich auf sovielen Ebenen. Im ganz großen Stil werde gelogen, betrogen, unterdrückt und erpresst. “Wenn du das weißt und entlarven kannst, ist es möglich dein Vertrauen zu kontrollieren.” “Es ist also wieder da, das Vertrauen?”, hake ich nach. “Mein Gottvertrauen habe ich zum Glück nie verloren!”, kontert Marla. Aber in diesem Star-Hipe, der um sie gemacht wurde, nachdem sie 1993 mit ihrem ersten Album “This is Marla Glen” quasi über Nacht Weltruhm erlangte, sei es unfassbar schwer für sie gewesen, Wahrheiten und Unwahrheiten zu durchschauen. Man habe sie in Schubladen gesteckt, ihr Markenzeichen aufgestempelt, ihr Vertrauen zum eigenen Vorteil erschlichen. Und ihr – trotz der Offenbarung in “Believer” und dem damit verbundenen Erfolg – seitens der damaligen Plattenfirma den Rat gegeben, künftig besser nicht mehr über Gott und ihren Glauben zu singen, weil das Business keinen Gott kenne. In Folge gleicht Marlas Leben einer Achterbahn, mal ganz oben, mal ganz unten. Aber auch mit dem “unten” hadert sie heute nur noch bedingt. “Unglücklich sein, heißt auch deine Hausaufgaben machen zu müssen, aus Erfahrungen zu lernen und manche Dinge und Menschen loszulassen.”
…und der Liebe zur Musik
Mir brennt eine weitere Frage auf der Zunge, die ich unvermittelt stelle: “Liebst du, was du tust?” “I hate music!”, donnert sie erstmal zurück. Doch der Donner trollt sich zügig und sie lacht, weil sie weiß, dass ich weiß, dass es die durchtriebenen Seiten des Geschäfts damit sind, die sie ursächlich verachtet. Niemals aber das Erleben von Musik und den Flow, der entstehen kann zwischen Musikern und Publikum. Denn auch in diesen Momenten ist Glück ganz deutlich spürbar. Obwohl sie sich ursprünglich gewünscht habe, eines Tages Police-Officer zu werden und auf gar keinen Fall Berufsmusikerin, sei es gekommen, wie es gekommen ist. “It’s my way…es ist mein Weg, ich kann nichts dagegen machen.” Letztlich kannst du diesen Weg nur lieben oder lassen. Marla Dell Glen hat sich für die Liebe entschieden. Setzt die Mundharmonika an ihre Lippen und verzaubert unser, ansonsten recht stilles Tal, mit Klängen, die direkt aus ihrer Seele fließen…
Danke, für dieses Glück und so.
P.S.: Im April 2016 dreht ein Schweizer Fernsehteam diesen sehenswerten Film über Marla Glen und Claudia Schmid:https://m.srf.ch/sendungen/reporter/marlas-groesster-fan
Ein schönes rundes Bild voller Farbe und Gefühle…
Wunderbar
<3
Wunderschön geschrieben! Herzlichen Dank!
Marla Glenn, unvergessen ihr Konzert auf DAS FEST in Karlsruhe, bei strömendem Regen… toitoitoi für “Believer” und “die durchtriebenen Seiten des Geschäfts” zu durchschauen, ist der erste Schritt, zu entscheiden, wie man/ frau weitermachen möchte, um sich selbst gegenüber treu zu bleiben. Alles Gute!
herzlichen Dank, liebe Gabi, für diese wunderbare Geschichte von der Begegnung zwischen diesen beiden Lebenslinien. Ich traf Marla zum ersten Mal 1992 in Baden-Baden und teile noch heute das Vergnügen, ihrem Manager Raymond ein paar Jahre später in Paris in den Hintern getreten zu haben, da er sie mit den Gagen ständig übers Ohr gehauen hatte.
Danke Dir, lieber Rudi, für’s Lesen, Teilen, für dein positives Feedback und den “Tritt” in die richtige Richtung 🙂
Thank You Gabi So Much For Getting The Real Marla Glen In Focus
For The Fan’s That Love Me In What I Do In Life.
You Have Been A Long Time Great Friend TO Me-
And Want To Say Out Of My Big Heart,
I Love You For Who You Are! A Real Human!And A Great Friend!
Thank You Again:)
The Glen
Manchmal sieht man sich zwei mal. Erst vor kurzem habe ich begeistert auf Deiner Seite gelesen, und heute bin ich über die Seite von ihr wieder bei Dir zu Besuch.
Ein schönes klares warmes Bild, das Du da beschreibst und ja, immer wieder schön, wenn es menschelt.
Warum ich heute hier schreibe? Einfach, weil ich mich gerade freue. Wie ich zu ihrer Musik kam? Eine einfache Geschichte.
Vor vielen Jahren, in einer eher dunklen Phase meines Lebens bin ich, was fast nie vorkommt, auf dem Sofa eingeschlafen und tief in der Nacht weckte mich ihre Stimme. Plötzlich hellwach bemerkte ich, dass die Stimme aus dem Fernsehen kam und eben eines ihrer Konzert gezeigt wurde. Ich sah das Konzert, es hat mich eingefangen und so ging ich mit diesen Eindrücken ins Bett.
Am Tag darauf beschloss ich, dass ich auf alle Fälle einmal bei einem Live-Konzert dabei sein werde. Denn das, was ich erlebt habe in dieser Nacht, schwang irgendwie nach. Aber wie es so ist im Leben, nicht alles was man sich vornimmt, ist, was man auch umgesetzt bekommt.
So vergingen die Jahre, immer wieder kam mir das Versprechen an mich in den Kopf. Ihre Musik begleitet mich und das Klopfen wurde lauter.
Anfang diesen Jahres, war es soweit. Ich sah nach Tourdaten, fand den Termin in Dexheim im Sommer. Kaufte gleich zwei Karten und wir waren dabei.
Was soll ich sagen, sie und ihre Musiker waren wundervoll. Das Konzert ein Erlebnis, das mich und auch meinen Begleiter mehr als nur begeistert hat. Dankbar nahm ich wahr, dass das Klopfen im Hirn, einem freudigen Pochen im Herzen gewichen war. Dieser Punkt war damit erledigt. Was uns nicht davon abhält, uns nun gemeinsam auf ein nächstes Konzert zu freuen.
Am Rande sei notiert, ich hatte mir vorgenommen, von genau hier für einen Freund, der mich schon eine lange Weile durchs Leben begleitet, eine Widmung von ihr mitzunehmen. Wie kann man besser inspirieren, sich wieder aufzuschwingen, als mit ihr? So stand ich das erste Mal in meinem Leben in der Schlange für ein Autogramm und in zwei Anläufen kam die Widmung auf die CD, die nun auf ihre Reise with Love & Inspiration geht.
An dieser Stelle Dank für Deine Einblicke, Danke für ein starkes Konzert und Danke für die Erinnerung, die ich mit dem Weg dorthin und diesem Tag verbinde.
Liebe Grüße
San
Danke für deine Geschichte, liebe San. Die jetzt unsere sein darf 🙂