“Ja, es gibt keinen Weihnachtsmann. Zumindest nicht zu dieser Jahreszeit. Und wohl auch nicht im Rollstuhl. Aber diese kleine, handgearbeitete Figur hat eine besondere Bedeutung für mich. Ich habe sie 2010 von behinderten Kindern geschenkt bekommen, denen ich vorgelesen habe. Die Ironie der Geschichte: Wenige Monate später saß ich selbst im Rollstuhl. (Anm.: Zum Glück habe ich mich mittlerweile wieder aus dem Rollstuhl herausgearbeitet und brauche ihn nur noch für längere Strecken!) Deshalb ist dieser Weihnachtsmann etwas ganz Besonderes für mich. Eine Art Mahnmal, das Leben nicht für selbstverständlich zu nehmen, dankbar zu sein für das, was man hat. Aber wenn es sein muss, auch für sein Wohlergehen zu kämpfen. Und das ist die Geschichte, die ich damals erlebt habe.
Für den Lese-Vormittag in einer Schule für körperlich und geistig behinderte Kinder hatte ich das Buch “Der gelbe Pulli” von Paul Maar ausgesucht. Die Geschichte von einem Mädchen, das die Farbe gelb nicht mag, aber ausgerechnet in dieser Farbe einen Pulli geschenkt bekommt. Maar erzählt augenzwinkernd, was das Kind alles unternimmt, um diesen Pullover loszuwerden. Am Ende des Buches fragte ich die Kinder vor mir, was sie nicht mögen, was sie gerne loswerden würden. Eine spontane und naive Frage. Ein kleiner Junge in der ersten Reihe antwortete sofort: “Ich mag meine Prothesen nicht.” Er saß ohne Beine, aber eben mit diesen Hilfsmitteln vor mir. Womm. Das war die Konfrontation mit dem harten ungeschminkten Leben. Wie unsinnig wir doch manchmal reagieren, wenn uns so etwas Belangloses wie eine Pulli-Farbe nicht passt.
Diese kleine Episode hat mich sehr aufgewühlt. Von da an dachte ich oft, wenn mir etwas missfiel, an das schwere und unabdingbare Schicksal dieses Jungen. Warum ich das gerade heute schreibe? Morgen ist Welt-MS-Tag. Dieser Tag soll an die Krankheit Multiple Sklerose erinnern. An dem Tag gibt es für Betroffene viele Vorträge. Aber auch für die Nicht-Betroffenen eine Botschaft: Jeden Tag kann sich das Leben schlagartig ändern. Durch eine Krankheit, einen Unfall oder einen anderen Schicksalsschlag. Man kann sich nicht wirklich darauf vorbereiten. Man kann hoffen, dass einem selbst oder einem nahestehenden Menschen nichts Schlimmes widerfährt. Aber man kann stets die richtige Einstellung entwickeln. Klar 1000 Mal gehört, aber auch wirklich praktiziert? Bewusst leben. Dankbar sein. Und nicht ewig unzufrieden. Der gelbe Pulli des Lebens …”
Gastbeitrag von Ute Kretschmer-Risché, https://www.agentur-exakt.de/
Foto: Ute Kretschmer-Risché
Danke für diese starke Geschichte, liebe Ute!
Danke für diese Geschichte !
Dankbarkeit im Überfluss ist doch sooo schwer und dooh soooo dringend notwendig. schöne nachdenklich machende Geschichte