Einer, der sich die Welt erliest…

Josua Straß ist Buchhändler mit Begeisterung

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Mittlerweile ist er über zwanzig Jahre im Beruf, lebt die 70 Stunden Woche der engagierten Selbständigen und kennt maximal drei Wochen Urlaub im Jahr. Doch Josua Straß kann sich nichts Erfüllenderes vorstellen, als genau das zu tun, was er tut. Deshalb bitte ich ihn um ein Interview für „Glück und so“.

Josua Straß ist immer offen für Fragen und Anregungen seiner Kunden und ein formidabler Gesprächspartner in allen Fragen der Literatur.
Josua Straß ist immer offen für Fragen und Anregungen seiner Kunden und ein formidabler Gesprächspartner in allen Fragen der Literatur.

Andererseits gleicht sein Leben dem eines Seiltänzers ohne Netz und doppelten Boden. Die Konkurrenz durch Internetversandhandel und lautstark werbende Buchhandlungsketten sorgt für wachsenden Existenzdruck und kaum ein Tag vergeht ohne das Stoßgebet „Möge uns die Buchpreisbindung erhalten bleiben!“
Dennoch hat sich Josua Straß nach dem Tod von Marianne Wasserburger im Sommer 2015 dafür entschieden, zusätzlich zu seinem Baden-Badener Geschäft am Jesuitenplatz ihre Kinder- und Jugendbuchhandlung „Mäx und Moritz“ in der Sophienstraße zu übernehmen. „Ich konnte nicht zusehen, wie das Lebenswerk von Marianne Wasserburger vor die Hunde geht und fachkundige Mitarbeiter ohne Zukunftsperspektiven arbeitslos auf der Straße stehen!“
Mit der Übernahme von „Mäx und Moritz“ hat sich der 43-jährige Straß auf einen zusätzlichen Drahtseilakt eingelassen. „Es gibt im Leben Entscheidungen von denen du weißt, dass du an ihnen scheitern kannst. Aber du musst es tun.“
Allein die Ladenmieten und Nebenkosten sind ein fetter Posten, der jeden Monat reinkommen muss, die Mitarbeiterzahl ist von vier auf acht gestiegen, somit auch die Verantwortung für pünktlich gezahlte Löhne. Doch obwohl er sich augenblicklich am Limit der eigenen Belastungsgrenze bewegt, bereut Josua Straß die Übernahme nicht: „Ich bin wirklich kein risikofreudiger Mensch, aber wenn mir wichtig ist, dass etwas gemacht wird und keiner macht’s, muss ich selber ran.“ Zum Glück ist Straß ein Teamplayer und schwärmt von seiner kompetenten Mannschaft: „Da ist keiner einfach so ersetzbar.“
Der kostbare Schatz langjähriger Erfahrung ist es ebenso wenig. Sohn und Vater, Josua und Werner Straß, können 2016 gemeinsam auf 50 Jahre Buchhandel in Baden-Baden zurückblicken. 2006 übergibt der Vater das Geschäft nach vierzig Jahren an den Sohn, der das Schiff „Buchhandlung Straß“ seinerseits seit zehn Jahren, in ungleich stürmischeren Zeiten, auf Kurs hält.
Als Teenager habe ich meine Reclamheftchen für den Deutschunterricht am liebsten bei Josuas Papa bestellt. Ein wenig kauzig kam er daher, der Bücherwurm, im Winter am liebsten in zotteliger Felljacke. In meiner Erinnerung hat er immer ein Buch in der Hand und blättert versonnen, ich öffne die Ladentür, trete ein und er wirft mir einen schelmischen Blick über den Brillenrand zu: „Na, was darf’s denn heute sein?“ Ich hab es genossen in diesem Laden die Zeit zu vergessen, zu stöbern und den heimeligen Duft der Bücher einzuatmen, ganz besonders, wenn’s draußen trüb und regnerisch war. Hier bin ich eingetaucht in die magische Welt der Worte Kafkas, Hesses und Michael Endes. Und immer war da ein zugewandter, wissender Mann, der auf meine Fragen zu diesen Welten Antworten wusste.
Ganz zweifellos hat der Vater dem Sohne viel von seiner Begeisterung für Literatur mit auf den Weg gegeben. Die Mutter habe Kinderzeichnungen aufgehoben, die eindeutig dokumentieren, dass der Sprößling bereits im zarten Alter von zweieinhalb die ersten, deutlich erkennbaren Buchstaben malte und mit drei soll er bereits das Lesen für sich entdeckt haben. Heute, als Vater von vier Kindern, hält Josua Straß das, was für ihn immer das Normalste der Welt war, doch für etwas Besonderes und findet es rückblickend schon „ulkig“, wie klar sich seine Berufswahl bereits in frühster Lebenszeit Bahn gebrochen habe.
Zur Geschäftsübernahme entwirft eine befreundete Grafikerin für Josua Straß ein neues Emblem und wählt spontan den Steinkauz. Vor drei Jahren erfährt der Buchhändler, dass der Steinkauz auf der roten Liste der bedrohten Arten steht und in unserer Region so gut wie ausgestorben ist. „Der Gedanke, dass dieser Vogel etwas für mich tut, aber ich nix für ihn, hat sich nicht richtig angefühlt”, erklärt er mir. Er fängt an, griechische Ein-Euro-Münzen zu sammeln. “Die haben den Steinkauz drauf, weil er das Symboltier von Pallas Athene ist.” Die Münzen wandern in ein Extra-Glas, um ein Jahr später in Steinkauz-Niströhren investiert zu werden.
Was sich übrigens auch nicht richtig für ihn anfühlt ist, wenn Bücher einfach entsorgt werden. Deshalb hat er sich dafür eingesetzt, dass über die Bürgerstiftung Baden-Baden ein Raum zur Verfügung gestellt wird, in dem Druckwerke aus Nachlässen gesammelt werden. „Wenn Schulen bestimmte Materialien suchen, können sie hier fündig werden und die Bücher einfach kostenlos mitnehmen.“
Josua Straß hat Ideale, was nicht bedeutet, dass er kein Realist wäre. Vielleicht ist er manchmal auch ein wenig kauzig, wie der Papa, ohne deshalb ein Kauz zu sein. Er liebt Bücher, ohne sich auf Lieblingsbücher festlegen zu wollen und lebt aus tiefster Überzeugung sein Buchhändler-Dasein. Eben hab’ ich nochmal bei ihm angerufen, um ein paar letzte Details zum Portrait mit ihm zu klären. Der Laden ist voll, telefonischer Austausch augenblicklich unmöglich. Das freut mich. Denn nur so haben die Steinkauze in unserer Region eine Überlebenschance. Und erst recht Buchhändler wie Josua Straß.

P.S. Wer nun nicht gerade um die Ecke wohnt und dennoch wissen möchte, was in der Buchhandlung Straß in Baden-Baden gerade an Literarischem empfohlen wird, schaut auf  https://www.eulenbrief.de vorbei. Online-Shopping funktioniert da übrigens genauso, wie am “Amazonas” 😉

 

3 Kommentare

  1. Danke für diesen wunderbaren Beitrag ! Bücher sind mir sehr wichtig – vor allem ein richtiges Buch in der Hand zu halten ,den Duft des Papiers zuriechen ,das Geräusch des Umblätterns zu hören…..Es ist schön,dass es noch solch engagierte Buchhändler gibt – jenseits der unpersönlichen online-Bestellungen , jenseits der Buchhandel-Ketten in denen kaum ein Mitarbeiter weiss was er da eigentlich verkauft – Es braucht Menschen wie Josua – der genau weiss was sein Gegenüber braucht ,der das Wesen des Kunden erfasst und mit einer Freude und Hingabe seine Schätze in die Welt hinausgibt !Möge dieses Kleinod im Herzen von Baden-Baden erhalten bleiben !

  2. toller Artikel! die Buchhandlung Strauß war mir bisher auch zumindest beswusst noch kein Begriff;)…möchte ich unbedingt mal reinschauen!
    Auch neu war mir der Tod von Marianne Wasserburger, traurig ;(- ich war als Kind immer sehr gerne in Ihrer Buchhandlung, was vor Allem auch an ihrem persönlichem, feinfühligen Umgang lag!

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