Meinerseits

Worte können gewaltig sein

“Und wenn dir ein Wort auf der Zunge brennt, lass es brennen!”, pflegte Enzos Großmutter immer zu sagen. Ich für meinen Teil hab’ mir schon öfter  die Zunge verbrannt. Allerdings eher, weil mir unbedachte Worte aus dem Mund purzelten, die eindeutig weniger schmerzvoll gebrannt hätten, wenn ich sie für mich behalten hätte. Immerhin: mit zunehmender Altersweisheit hab’ ich tatsächlich erfasst, was hinter Oma Albertines Sinnspruch steckt. “Erstmal runterpegeln bevor du den Mund aufmachst”, hätte sie ebenso gut sagen können. “Kühlen Kopf bewahren”, “sich besinnen”, “nochmal drüber schlafen”, “vor Betätigung des Mundwerks Gehirn einschalten” meint alles das Gleiche. Schließlich sind Worte unsere Ausdrucksmittel für Gefühle, Meinungen, Erfahrungen, Ansichtssachen. Und weil sie von einem Menschen ausgesprochen werden, formulieren sie eben nicht selten die sehr persönliche Sichtweise dieses einen Menschen. Die dann schon mal am verständnisfördernden Konsens vorbeischießen und eher zu Verwirrung und Verletzung, als zu Klärung und Verbundenheit führen kann. Soviel zum gesprochenen Wort und zum althergebrachten, analogen Wortwechsel. In unserer digitalen Welt, von der Oma Albertine noch nicht einmal träumen konnte, da brennen Worte weitaus öfter […]