Den Stiefmütterchen zum Gedenken
Meinerseits

Im Auge der Betrachterin

Entschleunigung ist angesagt dieser Tage. Der Terminkalender ist durch Corona leergefegt, was bleibt ist Homeoffice und, weil unser Heim inmitten eines wundervollen Gartens steht, erfüllende Zeit im Grünen. Auf der Suche nach einem größeren Blumentopf für die leuchtend violetten Glockenblumen von Marie, entdecke ich zwischen dürrem Gestrüpp ein vergessenes Stiefmütterchen. Es hat den milden Winter unbeschadet überstanden und entschieden sich strahlend zu entfalten. Es blüht. Obwohl es im Schatten steht und die Erde ziemlich trocken ist. Bescheiden und anspruchslos leuchtet es einfach aus sich heraus. Eigenartig, denke ich so bei mir, dass dieses Pflanzenwesen einen derart behafteten Namen erhielt. Stiefmütterchen. Immerhin Mütterchen. Stiefmutter wäre nicht auszudenken. Sofort sehe ich Schneewittchens böse Stiefmutter vor mir: “Spieglein, Spieglein an der Wand…”. Ach, und Aschenputtel, die musste auch mit einem echten Stiefmutter-Besen leben. Ich recherchiere ein wenig und finde einen Text, den ein gewisser Friedrich Schnack der Veilchenverwandten einst andichtete: “Das große unterste Blumenblatt, gestützt auf zwei Kelchblätter, ist die Stiefmutter, ihr zu Seiten sitzen auf je einem Stühlchen die beiden gutgekleideten eigenen Kinder, zuoberst die zwei schlichten Stiefkinder, […]