Meinerseits

Ich packe meinen Koffer…

Bevor er wurde was er heute ist, war er doch eher unansehnlich. Beinah unsichtbar… Ich entdeckte ihn auf einem Flohmarkt, grau-braun und abgewetzt, die Schließen verrostet. Links oben, neben dem Griff, entzifferte ich „Detmold“ und dann noch die Überreste eines Namens, der mit K begann… Sein Innerstes war mit vergilbtem, kariertem Papier ausgeschlagen und er roch nach einer Mischung aus Mottenkugeln und muffigem Keller. Der Verkäufer schien froh über mein Interesse und schenkte ihn mir… Im ersten Corona Winter nahm ich mich seiner an, lüftete ihn gründlich, entfernte das alte Papier und ging mit ihm auf Tuchfühlung. Solange er noch der alte war, offenbarte er mir meist trostlose Bilder. Von Menschen mit ausdruckslosen Gesichtern, die einander glichen wie die Koffer in ihrer Hand und aussahen als schleppten sie Wackersteine  – so schwer trugen sie an der Last ihres Lebens. Einmal allerdings, da schlich sich auch das Bild eines kleinen Mädchens in meine Gedanken. Sie schlenkerte das Ding als wöge es nichts, setzte sich sorglos mitten auf einen Bahnsteig, öffnete die Schließen, klappte den Deckel auf […]

Meinerseits

Tante Rosa im rosa Haus

Klar sehe ich, dass das ein Schwarz-Weiß-Foto ist, aber ich garantiere euch, dass dieses Haus im Hintergrund 1968 auf alle Fälle rosa war. Und genau da hat sie gewohnt: Meine Tante Rosa. Die natürlich nicht nur “meine” war, sondern auch die von Doris, Annette, Simone, Bärbel und Michi. Wir liebten Tante Rosa, die ein Riesenherz für uns Kinder hatte. Als ich noch nicht ganz vier Jahre alt war, siedelten Mama und Papa, mit meinem Bruder und mir, von Ingolstadt über nach Abensberg. Liegt in Niederbayern und ist in meiner Erinnerung die Traumkulisse unbeschwerter Kindertage. Wir zogen im Winter ein, muss wohl ein eisiger Januartag gewesen sein, in ein niegelnagelneues Zweifamilien-Haus. Es roch nach frischer Farbe und das Treppengeländer im Flur hätten wir eigentlich noch nicht berühren dürfen. Möbelpacker schleppten die schweren Kisten, Papa gab den Wegweiser, damit die Badezimmerutensilien nicht im Wohnzimmer landen, mein Bruder lag auf dem Boden seines neuen, noch leeren Zimmers und hing mit den Ohren am Kofferradio, und Mama war in der Küche mit Auspacken beschäftigt. Ich stand an diesem Tag […]