Lebensmittelretter und Umverteiler

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Eine herzliebe Freundin erzählt mir, dass sie neulich zum ersten Mal in ihrem Leben bei der Tafel war. Sie habe lange gezögert, dann hätte sie es doch gewagt. Mit Hartz IV Berechtigungsschein und Tarnkappe. In der Hoffnung, niemandem zu begegnen, der sie kennt. Frische Orangen lachten sie an und sie habe sich fünf gewünscht. “Geht leider nicht”, bekam sie zur Antwort. “Für ihren Zwei-Personen-Haushalt sind nur zwei Orangen pro Woche vorgesehen.” Kurze Pause. “Ach sagen Sie mal, sind sie nicht die Frau…???” “Nein!”, antwortet sie hastig, packt zusammen, was sie bekommen kann und schleicht im Dunkel beschämt nach Haus.

Grundsätzlich sind Tafeln eine wirklich gute Sache. In Deutschland werden täglich etliche Tonnen Lebensmittel vernichtet, obwohl sie noch verzehrfähig sind. Gleichzeitig herrscht bei immer mehr Menschen Mangel. Mittlerweile 900 gemeinnützige Tafeln sind seit 25 Jahren bundesweit aktiv, somit nahezu flächendeckend verbreitet, und schaffen einen Ausgleich: Sie sammeln überschüssige, qualitativ einwandfreie Lebensmittel und verteilen diese an sozial und wirtschaftlich Benachteiligte. Womit man “als Benachteiligter” allerdings umgehen können muss, ist einerseits der enorme Andrang und die damit verbundene Nahrungsverteilung mittels Losverfahren, was bedeutet, dass keiner weiß, was er nun wirklich bekommt, und andererseits das erforderliche Outing. Menschen, die durch unvorhersehbare Krisen in die Armutsfalle schliddern, schämen sich oft zutiefst, ihre Not hier offenbaren zu müssen. Und so mancher, der Hilfe bitter nötig hätte, fragt erst gar nicht.

Wer in der Stadt wohnt, und über einen funktionierenden Internetzugang verfügt, hat es mit der Foodsharing Community etwas leichter und entdeckt darin überdies vielleicht sogar neue Herausforderungen für’s eigene Leben. Foodsharing ist eine 2012 entstandene Initiative gegen Lebensmittelverschwendung. Überproduzierte und “nichtgewollte” Nahrung wird vor der Tonne gerettet. Ein Großteil davon wird durch sogenannte “Foodsaver” an NachbarInnen, Menschen auf der Straße, gemeinnützige Projekte, Vereine, Tafeln, Suppenküchen, FreundInnen und über die foodsharing-Plattform verteilt. Komplett kostenlos, versteht sich. Wo und wie in Eurer Region diese Foodsaver schon unterwegs sind, findet ihr hier. Mitwirker erfahren in dieser Gemeinschaft wieder eine Einbindung, Kontakt auf Augenhöhe ohne Stigmatisierung, und eine große Wertschätzung in ihrem Engagement. Durch 200.000 registrierte NutzerInnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und über 30.000 freiwillige Foodsaver ist die Initiative mittlerweile zu einer internationalen Bewegung geworden, die bisher mehr als 11 Millionen Kilogramm Lebensmittel vor der Vernichtung bewahrt und zahllose Menschen satt gemacht hat.

Konkurrenz zwischen Tafeln und Foodsavern gibt es nicht. Wär’ ja auch wirklich doof. Die Initiativen ergänzen sich. Und haben deshalb im April 2015 sogar einen Kooperationsvertrag geschlossen. Als flexible, lokal organisierte Initiativen können Foodsaver auch Kleinstmengen und Produkte über Mindesthaltbarkeitsdatum, die ganze Woche sowie auch an Wochenenden oder spontan abholen. Alles in allem geht es den Visionären der Community neben dem Fair-Teilen auch ganz klar um Politik. Man versteht sich als bildungspolitische Bewegung, die sich den nachhaltigen Umwelt- und Konsumzielen der Vereinten Nationen verpflichtet fühlt. Weshalb sie klare Statements zum Umdenken vertreten: Don’t let good food go bad .

 

 

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