Im Auge der Betrachterin

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Den Stiefmütterchen zum Gedenken

Entschleunigung ist angesagt dieser Tage. Der Terminkalender ist durch Corona leergefegt, was bleibt ist Homeoffice und, weil unser Heim inmitten eines wundervollen Gartens steht, erfüllende Zeit im Grünen. Auf der Suche nach einem größeren Blumentopf für die leuchtend violetten Glockenblumen von Marie, entdecke ich zwischen dürrem Gestrüpp ein vergessenes Stiefmütterchen. Es hat den milden Winter unbeschadet überstanden und entschieden sich strahlend zu entfalten. Es blüht. Obwohl es im Schatten steht und die Erde ziemlich trocken ist. Bescheiden und anspruchslos leuchtet es einfach aus sich heraus.

Eigenartig, denke ich so bei mir, dass dieses Pflanzenwesen einen derart behafteten Namen erhielt. Stiefmütterchen. Immerhin Mütterchen. Stiefmutter wäre nicht auszudenken. Sofort sehe ich Schneewittchens böse Stiefmutter vor mir: “Spieglein, Spieglein an der Wand…”. Ach, und Aschenputtel, die musste auch mit einem echten Stiefmutter-Besen leben. Ich recherchiere ein wenig und finde einen Text, den ein gewisser Friedrich Schnack der Veilchenverwandten einst andichtete:

“Das große unterste Blumenblatt, gestützt auf zwei Kelchblätter, ist die Stiefmutter, ihr zu Seiten sitzen auf je einem Stühlchen die beiden gutgekleideten eigenen Kinder, zuoberst die zwei schlichten Stiefkinder, die zusammen mit einem Stühlchen vorliebnehmen müssen. Der bedauernswerte Vater wird durch den Blumenstempel veranschaulicht. Infolge des Unfriedens in seiner Familie hat er weißes Haar bekommen, vor Kummer verkriecht er sich in seinen Fußsack, aus dem er kaum herausschauen kann. Er kommt erst zum Vorschein, wenn die anderen “ausgegangen”, d. h. abgefallen sind”.

Na toll. Passt ja voll zu dem vorurteilsbehafteten Stiefmutter-Bild, dass sich auch in meiner Vorstellung eingenistet hat, obwohl ich selber eine bin. Plus Stief-Oma und Stief-Uroma. Haftet dem Pflänzlein allein seines Namens und dieser Geschichte wegen womöglich eine gewisse Missachtung an? Also, ich finde: Stiefmütterchen werden viel zu oft stiefmütterlich übersehen. Obwohl ihre Farbenpracht und Vielfalt die Welt so bunt und dornenlos erhellt. Sie haben deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Freude kommt auf, als ich entdecke, dass im Nachbarland Frankreich der Name dieser Blume ein ganz anderer ist: “Herbe de la pensée” – zu deutsch “Pflanze des Gedenkens”. Und noch was: Schon im Mittelalter sollen Menschen in ihr ein Symbol für gute Gedanken erkannt haben.

Das gefällt mir. Und jetzt geh’ ich gießen…

 

 

 

 

7 Kommentare

  1. Meine geliebte Gabi!?
    Du verkörperst alles andere als eine ‚Stiefmutter‘ die wir z.B. von Schneewittchen kennen.

    Danke, dass es ‚BONUS-mütter‘ wie Dich gibt!!!♥️???
    Dieses Wort finde ich viiiiel schöner!
    Fühl dich lieb gedrückt!
    Von Herzen deine Babs?

    • Ab jetzt nenn ich Stiefmütterchen nur noch “Bonus-Mütterchen”, die ploppen unbemerkt auf und hinterlassen nix als … Liebe… Drück zurück, ganz doll!

  2. Millionen von Frauen litten oder leiden unter dem Vorurteil, mit dem der Begriff “Stiefmutter” behaftet ist. Zu Unrecht, wie ich meine.
    Stiefmütterchen werden bei mir gar nicht stiefmütterlich behandelt. Sie dürfen im frühen Frühling in meine Kästen auf der Terrasse einziehen und dort verweilen, bis sie nicht mehr blühen möchten.
    Der Klimawandel hat in diesem Jahr bei mir eine Riesengeranie im Kübel überleben lassen, die bereits prächtig blüht. Ach, ist es nicht schön?
    Ganz liebe Grüße
    Karin

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