Meinerseits

Worte können gewaltig sein

“Und wenn dir ein Wort auf der Zunge brennt, lass es brennen!”, pflegte Enzos Großmutter immer zu sagen. Ich für meinen Teil hab’ mir schon öfter  die Zunge verbrannt. Allerdings eher, weil mir unbedachte Worte aus dem Mund purzelten, die eindeutig weniger schmerzvoll gebrannt hätten, wenn ich sie für mich behalten hätte. Immerhin: mit zunehmender Altersweisheit hab’ ich tatsächlich erfasst, was hinter Oma Albertines Sinnspruch steckt. “Erstmal runterpegeln bevor du den Mund aufmachst”, hätte sie ebenso gut sagen können. “Kühlen Kopf bewahren”, “sich besinnen”, “nochmal drüber schlafen”, “vor Betätigung des Mundwerks Gehirn einschalten” meint alles das Gleiche. Schließlich sind Worte unsere Ausdrucksmittel für Gefühle, Meinungen, Erfahrungen, Ansichtssachen. Und weil sie von einem Menschen ausgesprochen werden, formulieren sie eben nicht selten die sehr persönliche Sichtweise dieses einen Menschen. Die dann schon mal am verständnisfördernden Konsens vorbeischießen und eher zu Verwirrung und Verletzung, als zu Klärung und Verbundenheit führen kann. Soviel zum gesprochenen Wort und zum althergebrachten, analogen Wortwechsel. In unserer digitalen Welt, von der Oma Albertine noch nicht einmal träumen konnte, da brennen Worte weitaus öfter […]

Meinerseits

Warum feiern wir nochmal Weihnachten?

Enkeltochter Mia bastelt schon seit Wochen. Sie schreibt und malt und faltet und klebt. Eifrig, versunken, beglückt. Dabei stellt sie sich vor, wie sich die Beschenkten über all das freuen werden, was sie da zaubert. Manchmal sogar mit Kribbeln im Bauch. Mia schenkt von Herzen gern. Übrigens nicht bloß an Weihnachten. Eigentlich immer. Wünsche hat sie natürlich auch. Ende Oktober hält sie mir einen Weihnachtswunschzettel unter die Nase, auf dem sie – feinsäuberlich – diverse Dinge aufzählt, die sie in einem Spielzeugladen-Werbeprospekt entdeckt hat. Beim Überfliegen finde ich zwar kaum Rechtschreibfehler, dafür aber auch nichts, worunter ich mir irgendetwas vorstellen könnte. Sie betrachtet mein Gesicht, während ich lese. „Is ne Menge Zeugs, gell?“, erkundigt sie sich, mit einem Unterton in der Stimme, der versucht meinen stirngerunzelten Gesichtsausdruck zu deuten. „Hmhm“, nicke ich und entdecke beim weiteren Studium der Liste zwei Kuscheltiere mit unaussprechlichem Namen. „Aber Kuscheltiere hast du doch wirklich genug, Schatz“, stelle ich fest. „Stimmt, Omi“, antwortet sie nicht verlegen, „deshalb verschenke ich ja auch wieder welche!“ Klingt nach einem durchdachten Plan und ich […]

Ansichtssache

Auf einem Planeten, der sich durchs Universum dreht…

Nachdem ich Ninas Portrait https://glueck-und-so.de/barrierefreiheit-beginnt-im-kopf/ auf meinem Blog veröffentlicht habe, entscheide ich mich für einen Sonntagsspaziergang und lande an einem meiner Lieblingsorte in Baden-Baden, dem Marktplatz unterhalb vom Neuen Schloss. Eben schlägt die Uhr der Stiftskirche halb Zwölf, das  “M10” https://www.marktplatz10.de/ ist schon geöffnet und ich entscheide mich für einen doppelten Espresso und einen perspektivenreichen Aussichtsplatz auf deren Terrasse. Handan bewirtet mich mit herzlicher Gastfreude und wir kommen ins Gespräch. Sie ist in Baden-Baden geboren, hat türkische Wurzeln und arbeitet in diesem “Badischen Café-Restaurant” der ganz besonderen Art. Hier wirken Menschen mit und ohne Behinderung Hand in Hand. Während die Gottesdienstbesucher nach und nach die Kirche verlassen, erzählt Handan: “Da ist eine ältere Dame, die ich unter der Woche immer allein sehe. Dann läuft sie langsam und schaut meistens auf den Boden. Aber sonntags, da seh’ ich sie immer in die Kirche geh’n.  Auch allein. Wenn sie herauskommt, schaut sie zufriedener aus…”. Das ist der Auftakt für unseren Austausch über die menschliche Sehnsucht “Teil einer Gemeinschaft” sein zu dürfen. Und die vielen Gemeinschaften, die derlei […]