Meinerseits

Ich packe meinen Koffer…

Bevor er wurde was er heute ist, war er doch eher unansehnlich. Beinah unsichtbar… Ich entdeckte ihn auf einem Flohmarkt, grau-braun und abgewetzt, die Schließen verrostet. Links oben, neben dem Griff, entzifferte ich „Detmold“ und dann noch die Überreste eines Namens, der mit K begann… Sein Innerstes war mit vergilbtem, kariertem Papier ausgeschlagen und er roch nach einer Mischung aus Mottenkugeln und muffigem Keller. Der Verkäufer schien froh über mein Interesse und schenkte ihn mir… Im ersten Corona Winter nahm ich mich seiner an, lüftete ihn gründlich, entfernte das alte Papier und ging mit ihm auf Tuchfühlung. Solange er noch der alte war, offenbarte er mir meist trostlose Bilder. Von Menschen mit ausdruckslosen Gesichtern, die einander glichen wie die Koffer in ihrer Hand und aussahen als schleppten sie Wackersteine  – so schwer trugen sie an der Last ihres Lebens. Einmal allerdings, da schlich sich auch das Bild eines kleinen Mädchens in meine Gedanken. Sie schlenkerte das Ding als wöge es nichts, setzte sich sorglos mitten auf einen Bahnsteig, öffnete die Schließen, klappte den Deckel auf […]

Und jeden Morgen geht die Sonne auf
Meinerseits

Kinder, Sterne und die Liebe

Als Enkeltochter Mia zum allerersten Mal mit der Endlichkeit des Erdenlebens konfrontiert wird ist sie gerade vier Jahre alt. Da verabschiedet sich ihre „Urmi“, meine Mama, und sie will wissen, wo sie jetzt ist. „Die Urmi ist wieder ein Stern geworden,“ erkläre ich ihr, weil auch mir diese Vorstellung tröstlich erscheint, und wir gehen zusammen auf die Terrasse und schauen in den klaren Abendhimmel. Dann deutet ihr kleines Zeigefingerchen auf einen besonders hell leuchtenden Stern und sie fragt: „Omi, meinst du sie ist da?“ „Kann gut sein,“ antworte ich und dann stehen wir, Hand in Hand, und schauen und vertrauen. Später basteln wir Sterne, ganz viele, mit guten Wünschen drauf, damit wir sie der Urmi noch mit auf den Weg geben können. Je mehr geliebte Wesen sie loslassen muss, um so mehr Sterne findet sie abends am Firmament und um so klarer ist ihr, dass alle irgendwann geboren werden und alle und alles irgendwann stirbt. Die Zeit dazwischen nennen wir Leben. Mittlerweile ist auch die andere Uroma ein Stern geworden. Und Tia, der geliebte Hund, […]

Deinerseits

Das Einerseits und Andererseits im Leben

Einerseits und andererseits. So ist’s im Leben. Einerseits genieße ich die fröhliche Leichtigkeit, die das Bloggen über Glück und so und das Portraitieren von Menschen, die lieben was sie tun, das bunte Gestalten von Hochzeiten und Willkommensfeiern und „Das Wunder der Bärenbande“ so mit sich bringen, und andererseits sind mir Reden und Zeremonien für Abschiedssituationen zu einem Herzensanliegen geworden. Vielleicht, weil in Zeiten der Trauer alle Masken fallen, die wir im täglichen Sein so häufig tragen. Vielleicht, weil Tränen fließen dürfen. Vielleicht, weil es in diesen Augenblicken keinen größeren Verlust mehr geben kann. Vielleicht, weil gerade dann Nähe und Anteilnahme so kostbar sind. Und vielleicht, weil es mich berührt, wenn ich mit Worten berühren darf. Im Kreis von Angehörigen sammeln wir Erinnerungs-Perlen. Weißt du noch … Diese Perlen fädle ich auf, an jenem Faden, an dem ein ganzes Leben hing. Und es entsteht eine einzigartige Kette aus Bildern und Geschichten, die die Seelen tröstet, der Versöhnung dient und auf ewig in Liebe verbindet … Welche Geschichten unsere Leben auch erzählen mögen – sie sind es wert erzählt zu werden.