Meinerseits

Vier Wochen im Ausnahmezustand

Bin mal abgetaucht. Ziemlich genau vier Wochen. Und jetzt tauch ich wieder auf: Mit einem Lied, dass ich am 22. November 2015 geschrieben habe und das, seit 22. Dezember 2015, über alle großen Online-Verkaufsplattformen als mp3-Download erhältlich ist! LiSTEN! Warum ich abgetaucht bin? Weil mich diese Bilder nicht mehr losgelassen haben. Junge Menschen, die sich Sprengstoffgürtel um die Hüften schnallen, Kinder, die im Mittelmeer ertrinken, Säbelgerassel, Klimakatastrophe und soviele Lügen…. Nichts von dem, was ich zum Zeitpunkt der Anschläge in Paris blogbeitragstechnisch geplant hatte, erschien mir noch angemessen. Alles zu profan. Eine ganze Woche hab’ ich gerungen. Recherchiert, geschrieben, reflektiert, wieder geschrieben, um immer deutlicher zu erkennen, dass ich über den Kopf mit den Dramen nicht klarer werde. Weil er keinen Raum für meine Gefühle lässt. So übervoll mit unbegreiflichen Informationen. Ein Packen, wie dieser, lässt sich meinerseits nicht so leicht verdrängen. Und wenn ich mein Fühlen und meine Fragen zu all dem nicht kanalisieren kann, kippe ich entweder in Trauer oder Wut – ohnmächtig auf alle Fälle. Weil ich Ohnmacht aber überhaupt nicht leiden […]

Meinerseits

Vor langer, langer Zeit…

…diente mir eine rote Reiseschreibmaschine. Die brauchte keinen Strom, was praktisch war, denn so konnte ich auch mitten im Wald meiner Arbeit nachgehen, die in jenen Tagen vornehmlich darin bestand “Unheimliche Geschichten” für eine illustrierte Wochenzeitung zu verfassen. Am allerliebsten mochte ich das “Kling” am Ende einer Zeile und das Hebelchen, mit dem ich in die nächste vorrückte. Und ich liebte den Klang ihrer Tasten. Denen hab’ ich’s gegeben…Darapdaradarapdara… Die Krönung des Erlebens war, wenn Enzo und ich im Einklang Laut gaben. Er, der Bildhauer, setzte das Stecheisen an einem hohlen Kirschbaum an, und ich, die Schreiberin, ließ meine Finger im Rhythmus dazu über die Tastatur meiner roten Reiseschreibmaschine flitzen. Toktoktok…darapdaradarapdara…toktok….darap…toktok…darap…rap…tok…dap…….

Deinerseits

Einer, der sich die Welt erliest…

Mittlerweile ist er über zwanzig Jahre im Beruf, lebt die 70 Stunden Woche der engagierten Selbständigen und kennt maximal drei Wochen Urlaub im Jahr. Doch Josua Straß kann sich nichts Erfüllenderes vorstellen, als genau das zu tun, was er tut. Deshalb bitte ich ihn um ein Interview für „Glück und so“. Andererseits gleicht sein Leben dem eines Seiltänzers ohne Netz und doppelten Boden. Die Konkurrenz durch Internetversandhandel und lautstark werbende Buchhandlungsketten sorgt für wachsenden Existenzdruck und kaum ein Tag vergeht ohne das Stoßgebet „Möge uns die Buchpreisbindung erhalten bleiben!“ Dennoch hat sich Josua Straß nach dem Tod von Marianne Wasserburger im Sommer 2015 dafür entschieden, zusätzlich zu seinem Baden-Badener Geschäft am Jesuitenplatz ihre Kinder- und Jugendbuchhandlung „Mäx und Moritz“ in der Sophienstraße zu übernehmen. „Ich konnte nicht zusehen, wie das Lebenswerk von Marianne Wasserburger vor die Hunde geht und fachkundige Mitarbeiter ohne Zukunftsperspektiven arbeitslos auf der Straße stehen!“ Mit der Übernahme von „Mäx und Moritz“ hat sich der 43-jährige Straß auf einen zusätzlichen Drahtseilakt eingelassen. „Es gibt im Leben Entscheidungen von denen du weißt, dass […]

Meinerseits

Woche des rosa Einhorns

In einem Anflug spielerischer Leichtigkeit habe ich via Facebook am Montagmorgen die vergangene Woche  zur “Woche des rosa Einhorns” erklärt. Weil ich so schöne Bauwagendetailfotos hatte, gerade an unsere Freundin Alix dachte, die dieses Zauberwesen dort zu Enkeltochter Mias größter Freude in sattem mädchenlieblingsrosa auf die Vorderfront gepinselt hat, und weil ich dem trüben Grau und all den Dramen um mich herum gern was Buntes gegenüberstellen wollte. Seit Donnerstagabend weiß ich wiedermal, wie sowas wirken kann…. Nach den Sommerferien ist Mia in die Schule gekommen. Da geht sie grundsätzlich gerne hin. Nicht zuletzt deshalb, weil sie jetzt eine eigene Busfahrkarte hat. Allerdings ist die Sache mit den Hausaufgaben ab und an eine echte Herausforderung. Auf dem Stuhl ruhig sitzenbleiben, den Stift richtig halten, noch zwei Seiten im Rechenheft die Sechser und die Siebener üben….Richtig machen. Ruhig bleiben. Aufgaben erledigen müssen. „Mama“, beschwert sie sich, „ich soll zwanzig Mal Sechser in so blöde Kästchen schreiben! Mama, zwanzig Mal!“ Sie kann zählen. Und sie weiß, wie die Zahlen aussehen. Weil der Donnerstag recht umtriebig war, hat die […]

Meinerseits

In der Stadt sieht alles anders aus…

Seit meinem dreizehnten Lebensjahr ist Baden-Baden meine städtische Lieblingswelt. Hier hab’ ich meine jugendliche Sturm- und Drangzeit erlebt, Abitur gemacht, den Mann meines Lebens gefunden, unsere Tochter zur Welt gebracht. Hier kenn’ ich mich aus und lerne immer wieder Neues kennen. Vor gut 25 Jahren haben Enzo und ich uns entschieden nach anderen Ufern Ausschau zu halten. Wir sind bis in die Südpfalz gekommen. Weit ist das nicht – kilometermäßig betrachtet. Weil ich aber ein Mensch bin, der grundsätzlich eher an Nähe als an Ferne interessiert ist, kommt mir genau diese Tatsache sehr entgegen. Seit neun Jahren pendle ich zwischen unserem Dorf im Pfälzer Wald und der kleinen Weltstadt an der Oos. Die Verbindung ist nie abgerissen. Teile unserer Familie leben nach wie vor an diesem Ort. Hier gibt es immer wieder Jobs für mich. Viel für den SWR, häufig mit meinem Bruder. Hier finde ich Raum, um eigene Projekte voranzubringen, schreibe und produziere mein erstes Hörbuch („Der Bär, der auf einer Mülltonne saß“), mache Musik, erwerbe einen Taxischein, damit, wenn grad mal alle Stricke […]

Meinerseits

Dorfleben mit guten Geistern

Daheim in Eußerthal, wo um 11 Uhr mittags das Elfeglöckl läutet (Brauch aus der Zeit, als die Leute noch im Wald arbeiteten und keine Handys hatten), abends um 6 Uhr die Kirche zum Feierabend ruft, auf dem Dorfplatz die Kinder unbehelligt Rad fahren und Ball spielen, wo im Sommer die Kreissägen kreischen, damit im Winter „alle warm haben“ und der einzige Hahn im Ort am allerliebsten spätnachmittags kräht – da atme ich durch und komme zur Ruhe, obwohl es nicht immer ruhig ist. Auf dem Land ticken die Uhren anders, als in der Stadt. Doch auch hier bleibt nicht alles beim alten – Veränderungen geschehen meist nur langsamer und lautloser. Als Enzo, ich und unsere damals 1-jährige Tochter Marie uns vor 26 Jahren von Baden-Baden aus aufmachten die Welt zu entdecken, ursprünglich Nicaragua als Ziel anvisiert hatten und dann immerhin bis in die Südpfalz kamen, haben die Dörfler uns das Ankommen leicht gemacht. Wir selbst allerdings keineswegs. Denn unser erstes Häuschen, das wir damals für knapp 20.000 Mark erwerben konnten, war eine absolute Ruine. Mit […]

Meinerseits

Das Leben ist kein stiller, ruhiger Fluss

Zu allen Jahreszeiten habe ich den Rhein schon überquert. Und in allen Gefühlslagen. Mal mit dem Zug, mal mit dem Auto. Mal verzweifelt, mal glückselig. Nicht selten hab’ ich mir dabei ganz inniglichst gewünscht, dass immer Brücken bleiben mögen. Dieses Pendeln zwischen Hüben und Drüben, das Eintauchen in unterschiedliche Welten auf dem gleichen Planeten, die Eindrücke und Begegnungen diesseits und jenseits des großen Stromes inspirieren mich. Mein Aktionsradius ist seit Jahren übersichtlich: Baden – Pfalz/ Pfalz – Baden. Genau das ist gut. Dadurch finde ich Zeit und Raum, um Menschen näher kennenzulernen. Deshalb erfahre ich mehr und mehr über die Orte, an denen ich mich vorwiegend aufhalte. Das Leben ist kein stiller, ruhiger Fluß. Weil ein Fluß auch nicht immer still und ruhig ist. Bei Niedrigwasser bleibt er verhalten in seinem Bett, bei Hochwasser reißt er wie ein Ungeheuer alles mit sich, was ihm im Weg steht. Wenn ich eins gelernt hab’, dann Freud’ und Leid als schöpferisches Potenzial zu betrachten. Gelingt mir nicht unbedingt, wenn ich gerade mit Luftschnappen und Über-Wasser-Halten gefordert bin, aber […]

Andererseits

Bewegende Ansichten…

Mein Bruder liebt seine Arbeit. Genuss ist für ihn den Kopf voller Filmideen zu haben; zu wissen, dass übermorgen der Schneideraum gebucht und der Text zur aktuellen Filmproduktion so gut wie im Kasten ist. Er genießt gern ein gutes Glas Rotwein und am allerliebsten gemeinsam mit Sohn Moritz brillante BvB-Spiele. Ein Tässchen Espresso wird gern genommen, bevor sein Pfleger ihn von der Rücken- in die Seitenlage befördert… Michael Dittrich ist durch eine chronische Entzündung des Zentralen Nervensystems seit 2006 vollständig bewegungsunfähig und komplett auf Hilfe angewiesen.  Der Sportjournalist, Filmemacher und Bücherschreiber, Jahrgang 1957,  ist zum Teil berentet und andererseits immer noch beim SWR angestellt. Für ihn ein echter Glücksfall. Deshalb kann die Arbeit der Menschen finanziert werden, die ihm Hände, Füße, Ausführende seiner Vorstellungen sind. Anfang Januar 2015 sorgt sein sehr persönlicher Film „Reine Nervensache – Leben mit einer unheilbaren Krankheit“ für enorme Medienresonanz und wird zum ersten Mal im SWR Fernsehen gesendet. In der 90 minütigen Dokumentation geht es um Stationen in seiner Biographie, um Träume und Wünsche, um Hoffnungen und Enttäuschungen, um Freundschaft […]

Deinerseits

Wer fremdelt, sucht andere Orte

Menschen, die willkommen heißen, die keine Unterschiede machen zwischen Gästen, die offensichtlich gut betucht sind oder solchen, die ebenso offensichtlich wenig besitzen, die schätze ich besonders. So ein Mensch ist Rita. Seit 13 Jahren läuft die Pizzeria Monte Rosa in Baden-Baden als Familienunternehmen unter ihrer Leitung. Werbung tut schon lange nicht mehr not, denn der Laden ist regelmäßig rappelvoll. Das Leben hat ihr Schicksalsschläge nicht erspart, doch das Leuchten in ihren Augen, das Strahlen in ihrem Gesicht, ihre Freude daran, Gästen jedweder Couleur einen rundum angenehmen Aufenthalt zu ermöglichen, hat sie nie verloren. Nirgendwo sonst in dieser kleinen Weltstadt an der Oos sind mir bisher soviele unterschiedliche Menschen auf engstem Raum begegnet wie hier. Wer fremdelt, sucht andere Orte. Bei Rita kommt man sich näher. Wenn ich in Baden-Baden bin, ist ein Besuch bei ihr immer ein bißchen wie heimkommen. Und das geht nicht nur mir so. Rita umarmt, nimmt an, interessiert sich für das, was passiert im Leben ihrer Gäste. Mich interessiert ihr Leben, das selten so ganz und gar privat ist. Eine Weile […]

Meinerseits

Unser täglich Brot…

Glücksbrot hat mir eine Freundin mitgebracht. Nicht einfach so zum Reinbeißen und Glücklichsein – nein – ein Portiönchen Teig im Plastikbehälter. Zum Rühren am ersten Tag, natürlich nur mit Holzlöffel, Zucker dazutun am zweiten, Milch am dritten, Mehl am vierten und am fünften Tag noch mehr davon und dann in vier Teile teilen und an drei gute Menschen weitergeben. Das eigene Teigteil darf ich dann morgen backen, natürlich erst, wenn ich noch ein paar weitere Zutaten hingebungsvoll untergerührt habe. Das beste daran ist ganz offensichtlich der fünfte Tag. Das Weitergeben an drei gute (also wirklich gute!) Menschen. Die sind mir, glücklicherweise, schon am zweiten Tag eingefallen, und so hab’ ich mich flugs, nach liebevollster Teigteilung, auf den Weg gemacht. Da treff’ ich unterwegs eine mir bekannte junge Mutter mit Kind nebst Mann, und denke, bisschen Glück können die auch gebrauchen. Disponiere also um und frage spontan, mit dem Schüsselchen in der Hand, ob sie nicht…. „Ach, nö du. Sorry, soviel Arbeit,“ meint sie, und er guckt äußerst skeptisch und murmelt, dass er wirklich nicht wisse, […]